Mord, Blut, Rache. Endlos. Agamemnon opfert seine Tochter Iphigenie, seine Frau Klytaimnestra tötet ihn und wird wiederum vom eigenen Sohn ermordet. Ist das wirklich der Gründungsmythos der westlichen Zivilisation? Der Schweizer Regisseur Milo Rau, vielfach preisgekrönt, verbindet in Orest in Mossul antike Tragödie mit aktuellen politischen Konflikten. Mit einem internationalen Ensemble inszeniert er eine Orestie unserer Zeit, geprobt und inszeniert in Europa und im Irak. Und fragt: Ist es möglich, die scheinbar nicht endende Kette der Gewalt zu durchbrechen?

Wir spielen die Aufführung im Original in niederländischer, arabischer und englischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln.

 

Was unterscheidet Orest in Mossul von anderen Orestien?

Milo Rau: Unser internationales Ensemble und unser Blick auf das Thema. 2016 war ich im Nordirak in der völlig zerstörten Stadt Sindschar. Es war, als wäre man gleichzeitig in einem Fernsehbild und in einem klassischen Epos. Da entstand die Idee, Aischylos‘ antike Orestie für unsere Zeit zu inszenieren. Wie können die Parteien im syrisch-irakischen Bürgerkrieg wieder friedlich miteinander leben? Das ist doch die alte Frage der Menschheit: Wie lässt sich ein Vergehen sühnen, ohne dass wieder neue Gewalt provoziert wird.

Siehst du eine Lösung?

Milo Rau: Bei Aischylos kann nur die Göttin Athene die Gewalt stoppen: Sie bietet den Rachegöttinnen einen Platz in der Gesellschaft an. Einschluss statt Ausschluss. Umarmung statt Hass. Aber was tun wir mit Dschihadisten, wenn der IS überwunden ist und sie in ihre irakischen Dörfer (oder nach Europa) zurückkehren? Es gibt Kämpfer in aller Welt, die aus Kriegen heimkehren. Wie können sie wieder „zivilisiert“ werden?

Wie entsteht die Aufführung?

Milo Rau: Wir proben in mehreren Phasen. Ein Teil des Projekts wird auch in Mossul im Irak entstehen: in einer Kaserne von Peschmerga in Kurdistan, in Zusammenarbeit mit lokalen Kämpfern, Dichtern und Einwohnern. Filmaufnahmen von dort werden auch Teil der Aufführung werden.

 

Mehr Weniger
  • Uraufführung/Premiere: 17.05.2019
  • Sprache: Niederländisch, Arabisch und Englisch mit deutschen und englischen Übertiteln
Video-Trailer zu Orest in Mossul
Interview mit dem irakischen Schauspieler Duraid Abbas Ghaieb
Alle Beteiligten
  • Regie: Milo Rau
  • Dramaturgie: Stefan Bläske
  • Bühne: Ruimtevaarders
  • Kostüme: An De Mol
  • Licht: Dennis Diels
  • Film, Live-Kamera: Moritz von Dungern
  • Film: Daniel Demoustier
  • Filmschnitt: Joris Vertenten
  • Musikalisches Arrangement: Saskia Venegas Aernaudt
  • Regieassistenz: Katelijne Laevens
  • Produktionsleitung: Noemi Suarez Sanchez
Rollenbesetzung
  • Mit: Duraid Abbas GhaiebSusana AbdulMajidElsie de BrauwRisto KübarJohan LeysenBert LuppesMarijke Pinoy
  • Team Irak (im Video) – Musiker*innen: Suleik Salim Al-Khabbaz, Saif Al-Taee, Firas Atraqchi, Nabeel Atraqchi, Zaidun Haitham, Rabee Nameer
  • Team Irak (im Video) – Schauspieler*innen: Baraa Ali, Khalid Rawi, Khitam Idress
  • Team Irak (im Video) – Chor: Rayan Shihab Ahmed, Hathal Al-Hianey, Mustafa Dargham, Younis Anad Gabori, Ahmed Abdul Razzaq Hussein, Abdallah Nawfal, Mohamed Saalim, Hassan Taha
Pressestimmen

Ein neuer Maßstab für Klassikerbearbeitungen.
NRC, Kester Freriks

Atemberaubend – von der ersten bis zur letzten Minute.
De Tijd, Koen Van Boxem

Die griechische Tragödie der Vergangenheit glasklar verbunden mit dem Mossul der Gegenwart.
De Standaard, Filip Tielens

Mehr Pressestimmen

Etwas vom Wertvollsten, was dem Regisseur je geglückt ist.
Neue Zürcher Zeitung , Daniele Muscionico

Kann ein Theaterstück eine zerrissene Stadt heilen?
New York Times , Alissa J. Rubin

Eine zutiefst politische Inszenierung.
Deutschlandfunk , Eberhard Spreng

Demut und Würde.
Schweizer Fernsehen RTS

Klytaimnestra, mit mimetischem Feintuning und kaum gezügeltem Hass gespielt von der großartigen Elsie de Brauw.
Süddeutsche Zeitung , Christine Dössel

Milo Rau sucht und findet in seiner Uraufführung Orest in Mossul Parallelen zwischen antiken Schicksalsfiguren und Opfern des IS. Eine globale zeitgenössische Tragödie.
Neue Zürcher Zeitung , Daniele Muscionico

Ein großer, emotionaler Theaterabend, hinter dem ein intelligentes Konzept steht. Ein schallendes Bravo an alle Beteiligten.
Ruhr Nachrichten , Kai-Uwe Brinkmann

Tatsächlich ist „Orest in Mossul“ ein fordernder Abend, nachdenklich und brutal. Man schaut zunächst zu, als sähe man eine Dokumentation und wahrt Distanz. Doch dann ereignet sich doch große Theaterkunst, das, was erst unfertig und improvisiert wirkt, entwickelt bald eine sogartige Kraft, die unmittelbar bannt.
taz , Regine Müller