1834 schreibt Alfred de Musset aus Enttäuschung über die Französische Revolution das Stück Lorenzaccio, inspiriert durch das Stückfragment Une Conspiration en 1537 der Schriftstellerin George Sand, das sie 1831 verfasst, nie zu Ende geschrieben, nie veröffentlicht und de Musset geschenkt hat. Er siedelt es im Florenz des Jahres 1537 an, in dem Alessandro, ein Spross aus einer Seitenlinie der Medicis von Papst Clemens VII und Kaiser Karl V zum Fürsten über die Stadt gemacht wurde, der sich mit Hilfe deutscher Söldner an der Macht hält und, selbst ohne Ambitionen, politisch eine Marionette von Papst und Kaiser ist. Man sieht eine Stadt in Dekadenz versinken, Klerus und Adel sich in kleinen Intrigen und idiotischen Ausschweifungen verbrauchen und das Volk leiden, darben und resignieren.

Lorenzo de Medici, der von vielen als rechtmäßig empfundene Fürst dieser Stadt, ein Liebhaber der Künste, ein Mäzen und ein exzentrischer, zaudernder Mensch, empfindet es als einzige Aufgabe seines Lebens, den amtierenden Fürsten Alessandro zu töten, um der Republik zu neuem Leben zu verhelfen. Als er es schließlich nach Jahren tatsächlich über sich bringt, dieses Attentat zu begehen, ist es ein Alleingang, der ohne Echo bleibt. 

Die Republikaner zu dieser Zeit sind als Bewegung zu schwach, das System demgegenüber ist korrupt, innerlich ausgehöhlt und absolut unempfindlich gegenüber dieser Tat eines einzelnen Menschen; das Attentat wird nicht als Zäsur wahrgenommen, das System richtet sich unverzüglich wieder auf und es ändert sich – nichts.

EINEN STOFF FREISCHÄLEN. INTERVIEW MIT DER REGISSEURIN NORA SCHLOCKER
 

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  • Duration: 2:00h, no break
  • Premiere: 23.04.2022
  • Language: German with English surtitles
Video: Siegersbusch
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Ein Tyrannenmord in einem riesigen Glaskasten: Ungewöhnliche Bilder findet Regisseurin Nora Schlocker für ihre erste Arbeit am Bochumer Schauspielhaus. In schlanken zwei Stunden (ohne Pause) gelingt ihr eine konzentrierte Aneignung des sprachgewaltigen Historiendramas „Lorenzaccio“ von Alfred de Musset, das ebenso komplex gebaut wie überraschend aktuell ist. Und ganz nebenbei besitzt die Aufführung eines der famosesten Bühnenbilder seit langer Zeit.
Westdeutsche Allgemeine Zeitung, Sven Westernströer