Mit großer Trauer und Betroffenheit haben wir vom Tod von Frank-Patrick Steckel erfahren. Wie seine Familie mitteilte, verstarb der Regisseur, Übersetzer und ehemalige Intendant am 25. Januar 2024 nach schwerer Krankheit.

Frank-Patrick Steckel war von 1986 bis 1995 Intendant des Schauspielhaus Bochum. Bis heute gibt es Kolleginnen und Kollegen in unseren Reihen, die schon damals hier gearbeitet haben und diesen sehr besonderen, eigensinnigen, kunstsinnigen, politisch engagierten und ästhetisch entschiedenen Theatermacher aus vielen persönlichen Begegnungen und gemeinsamen Arbeiten kannten. Die ihn sehr schätzten und sich dieser Zeit bis heute verbunden fühlen.

„Frank-Patrick Steckel hat das Schauspielhaus Bochum als Regisseur und Intendant wie wenige andere geprägt. Auch jenen, die damals nicht dabei waren – ob als Kolleg*innen oder Zuschauer*innen –, ist diese Zeit als eine enorm wichtige und künstlerisch fruchtbare Zeit ein Begriff“, so Johan Simons, Intendant des Schauspielhauses seit 2018. „Frank-Patrick Steckel dachte das Theater als politischen und ästhetischen Ort, kompromisslos in seinen moralischen Überzeugungen und engagiert in seinen künstlerischen Visionen. Als solcher ist er bis heute ein Vorbild für Theatergenerationen, die nach ihm kamen und noch kommen werden.“

Frank-Patrick Steckel wurde 1943 in Berlin geboren. Seine Theaterlaufbahn begann er als Regieassistent von Claus Peymann an der Studiobühne der Universität Hamburg. Jahrzehnte später – nach Stationen in Hamburg, an der Schaubühne am Halleschen Ufer in Berlin und am Bremer Theater – wurde er dessen Nachfolger als Intendant des Schauspielhaus Bochum. Er leitete das Theater zusammen mit der Choreografin Reinhild Hoffmann, die mit ihrer Bremer Tanzkompanie integraler Bestandteil des Bochumer Ensembles war. In dieser Verbindung von städtischem Schauspielhaus und zeitgenössischem Tanz war Steckel ein innovativer Vordenker, der diese heute viel beschworene Interdisziplinarität damals schon in strukturellen Formen verankerte. Als nach einigen Jahren die Bochumer Kulturpolitik die Tanzsparte einsparen wollte, empfand Steckel dies als einen Affront gegen sich und sein Theater.

Das Schauspielhaus Bochum verfolgte unter Frank-Patrick Steckel eine entschieden avancierte Theaterästhetik, die sich auch als Impuls verstand, sich nicht den Trends der Zeit zu beugen. Der Spielplan fokussierte sich auf die Klassiker des europäischen Theaterrepertoires und die Autoren der Jahrhundertwende, deren Werke neu interpretiert wurden. Als Signet verwendete Steckel ein durchkreuztes Atomkraftwerk, und auf dem Dach des Schauspielhauses wehten zwei rote Fahnen. Neben Steckel waren die Regisseur*innen Andrea Breth, B.K. Tragelehn, Manfred Karge und Jürgen Gosch wichtige Partner*innen der Bochumer Jahre sowie der Bühnenbildner und damalige Ausstattungsleiter Johannes Schütz und der Schauspieler und Regisseur Wolf Redl. Viel beachtete Inszenierungen waren u. a. Die Nibelungen (Steckel), Süden (Breth), Germania Tod in Berlin (Steckel), Die Letzten (Breth), Timon von Athen (Steckel), Nachtasyl (Regie Niels-Peter Rudolph), Zeche Eins (Reinhild Hoffmann), Die Stunde da wir nichts voneinander wußten (Gosch), Endspiel (Gosch) oder Oedipus (Regie Dieter Hacker), aber auch musikalische Produktionen wie Die Bar ,Zum Krokodil‘ oder der Singspielabend mit Tana Schanzara Tana in New York (Regie Uwe Jens Jensen). Deutsche Erstaufführungen wie Tom Stoppards Stürmische Überfahrt oder Bernard-Marie Koltès’ Quai West und Jean Genets Sie fanden in Bochum statt. Zum Ensemble gehörten Schauspieler*innen wie Angela Schmid, Nicole Heesters, Andrea Clausen, Barbara Petritsch, Peter Roggisch, Martin Feifel, Wolfgang Michael, Sven-Eric Bechtolf, Stefan Hunstein, Oliver Nägele, Thomas Anzenhofer oder Armin Rohde. Inszenierungen des Schauspielhaus Bochum zu dieser Zeit wurden vielfach preisgekrönt, etwa mit acht Einladungen zum Berliner Theatertreffen, und gingen auf Reisen um die Welt.

Nach 1995 arbeitete Frank-Patrick Steckel als freier Regisseur und Übersetzer. Für seine Shakespeare-Übersetzungen wurde er 2013 mit dem Preis der Autoren ausgezeichnet.

Das Schauspielhaus Bochum verdankt Frank-Patrick Steckel eine einzigartige Zeit prägender Theatererlebnisse, ästhetischer Herausforderungen und Inspiration, lebendiger politischer Debatten und künstlerischer Erfolge, die nicht nur das Haus und das Bochumer Theater prägten, sondern auch zu dem legendären Ruf beigetragen haben, den das Schauspielhaus Bochum bis heute genießt. Diesem Vermächtnis fühlen wir uns verpflichtet.

Unser tiefes Mitgefühl gilt seiner Familie sowie seinen Freund*innen, Kolleg*innen und Weggefährt*innen. Für alle, die sich an die gemeinsame Zeit erinnern möchten, liegt ab sofort im Foyer des Schauspielhauses ein Kondolenzbuch aus.

Dasein oder Nichtsein

Erinnerung an Frank-Patrick Steckel
Sonntag, 10.03.2024, 11:30 im Schauspielhaus

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